Keine Belege für Effizienz der FFP2- und OP-Masken

Im Gespräch mit Prof. Dr. med. Ines Kappstein

Erst gab es in der Corona-Pandemie die Verpflichtung zum Tragen von Community-Masken oder Mund-Nase-Bedeckungen, jetzt müssen es OP-Masken oder FFP2-Masken sein.
Frau Prof. Kappstein ist eine ausgewiesene Expertin und somit die optimale Ansprechperson für die folgenden Fragen.

Frau Prof. Kappstein, wie beurteilen Sie die Wirkung von FFP2- oder OP-Masken?

Bereits im Sommer 2020 habe ich die im April vom RKI vorgelegte Literatur zur angeblichen Wirksamkeit von Masken in der Öffentlichkeit geprüft mit dem Ergebnis, dass es keine Belege gibt (Link zur Publikation).
Auch das RKI hat im Übrigen nicht explizit gesagt, dass es solche Belege gäbe, hat aber dennoch die sogenannten Alltagsmasken in der Öffentlichkeit zum ‚Fremdschutz‘ empfohlen.

Wenn heute nun neuerdings von der Politik medizinische Masken verpflichtend gemacht wurden, sind diese Masken (‚OP-Maske‘ und FFP2) aber nicht anders zu beurteilen: es gibt keine Belege, auch wenn das in den Medien behauptet wird und auch wenn von der Politik darauf hingewiesen wird, es müsse jetzt wegen der auch für Deutschland drohenden Virus-Mutationen aus Großbritannien oder Südafrika nicht nur auf den Fremdschutz, sondern auch auf den ‚Eigenschutz‘ (vor ‚Aerosolen‘) geachtet werden.

Wie wird das Corona-Virus denn überhaupt übertragen?

Wie alle respiratorischen Viren wird auch das neue Coronavirus SARS-CoV-2 hauptsächlich via Tröpfchen (sogenannte ‚große‘ Tröpfchen) und via Kontakt (direkt wie indirekt) übertragen. So stellen es auch alle internationalen Gesundheitsbehörden dar.
Die Kontaktübertragung läuft meist über die Hände: Man hat entweder direkten Körperkontakt mit einer infizierten Person oder indirekte Kontakte über gemeinsam genutzte Gegenstände oder Oberflächen. Dabei kontaminiert man sich die Hände und fasst sich anschließend mit den Händen ins Gesicht und bringt so die Viren an ihre Eintrittspforten der Schleimhäute von Augen, Nase und Mund. Man muss sich das so vorstellen, dass das alles sehr wahrscheinlich schnell geht, so dass man nicht notwendigerweise zum Beispiel eine Stunde später noch die Viren in der Umgebung nachweisen können muss. Deshalb kommt es ja meist zu Erregerübertragungen, wenn mehrere Menschen auf relativ engem Raum für längere Zeit zusammen sind.
Die Übertragung durch infektiöse Aerosole ist wissenschaftlich nicht belegt, sondern wird behauptet und man versucht sie mit wissenschaftlich unzureichenden Argumenten zu belegen.

Sind wir denn nicht durch diese Aerosole gefährdet?

Als Aerosol bezeichnet man ein Gemisch von schwebefähigen Partikeln in der Luft. Bei diesen winzigen (und deshalb schwebefähigen oder luftgetragenen) Partikeln kann es sich um Infektionserreger handeln. Ob sie aber, also wenn vorhanden, dann auch für Infektionen durch die Inhalation dieser kontaminierten Luft verantwortlich sein könnten, ist eine ganz andere Frage, die erst einmal geklärt werden müsste.
Es gibt bisher aber nur Ausbruchsuntersuchungen, aus denen man abgeleitet hat, dass das Virus über die Luft, also über sogenannte ‚Aerosole‘, übertragen wird. Aus solchen Untersuchungen kann man aber keinen Übertragungsweg ableiten, zumal erst einmal alle anderen Übertragungswege (Tröpfchen, Kontakt) sicher ausgeschlossen sein müssten, um sagen zu können, dass die Infektionen im Rahmen des Ausbruchs durch die Luft entstanden sind.
Meine Überzeugung ist, dass die Übertragung durch die Luft bei dem Erreger von COVID-19 nicht in Frage kommt, denn die Erreger müssen an ihre natürlichen Eintrittspforten kommen. Und das geht bei den winzigen Partikeln, die prinzipiell stundenlang in der Luft schweben, nicht.

Wo docken denn die Viren bei uns Menschen überhaupt an?

Insbesondere in der Nasenschleimhaut - weniger in der Rachenschleimhaut - sind Rezeptoren, an die das Coronavirus binden kann. Es kann dann von der Zelle aufgenommen werden, sich dort vermehren und von da aus weitere Zellen befallen. Jeder mit SARS-CoV-2 Infizierte bekommt zunächst eine Infektion der oberen Atemwege mit den typischen Symptomen, wie etwa Halsschmerzen und Husten.
Zellen mit den erforderlichen Rezeptoren gibt es auch im Bereich der tieferen und tiefen Atemwege, aber auf dem Weg dorthin immer weniger. Wenn das Virus dort andocken könnte, was prinzipiell möglich erscheint, müsste es aber primär an Ort und Stelle zu einer Infektion, also gleich zu einer Pneumonie, kommen, die sich aber bei COVID-19 immer erst mindestens eine Woche nach Beginn der oberen Atemwegssymptome entwickelt.
Man nimmt an, dass die Erreger in die tieferen Atemwege ‚absteigen‘ (wahrscheinlich durch Mikroaspiration) und dort bei entsprechend vulnerablen Personen zu einer Pneumonie führen können. Von einer primären Infektion in der Lunge bekommt man aber keine obere Atemwegsinfektion, denn die Infektion beginnt ‚oben‘, und das bedeutet, dass der Erreger dorthin gelangen muss. Das funktioniert aber aus aerosolphysikalischen Gründen nicht oder kaum bei den winzigen schwebefähigen Partikeln.

Wie hoch ist die sogenannte Infektionsdosis?

Wie viele Erreger nötig sind, damit es bei einem Kontakt der Schleimhaut der oberen Atemwege mit dem neuen Virus zu einer Infektion kommt, weiß man nicht genau. Kürzlich wurde allerdings eine Untersuchung publiziert, wonach 1.000 Viruspartikel erforderlich seien. Sie müssten alle an die Schleimhaut der oberen Atemwege gelangen, um dort eindringen und sich vermehren zu können.

Wer ist bezüglich einer Lungenentzündung gefährdet?

Besonders gefährdet sind sehr alte Menschen mit chronischen Krankheiten, wie insbesondere Adipositas oder Diabetes mellitus, aber auch jüngere Personen mit den entsprechenden Begleitkrankheiten. Und man weiß auch, dass Armut schwere Krankheitsverläufe begünstigt.
Alle anderen Personen sind nicht gefährdet, einen schweren Krankheitsverlauf mit Pneumonie zu erleiden.
Bei den gelegentlich angeführten Leistungssportlern mit schweren Verläufen, muss man berücksichtigen, dass Leistungssport durchaus nicht nur positiv ist, sondern dass die Sportler je nach Trainingsphase auch durch Phasen von deutlicher Immunsuppression gehen. Also Leistungssportler sein, heißt nicht notwendigerweise, dass man bei Erregerkontakten vor Infektionen geschützt ist.

Mal ganz praktisch – wie sieht die Gefährdung beim Einkauf im Supermarkt aus?

Das Risiko, beim Einkaufen im Supermarkt oder auch in sonstigen Geschäften durch die Begegnung mit anderen Kunden oder dem Ladenpersonal mit dem Erreger in Kontakt zu kommen, ist verschwindend gering, weil die Kontaktzeiten für eine Erregerübertragung viel zu kurz sind.
Wenn man länger miteinander reden will, muss man sich nur mit einem Abstand von ein bis zwei Metern gegenüberstellen, um eine Tröpfchenübertragung mit hoher Wahrscheinlichkeit zu verhindern.
Das RKI spricht von mindestens 15 Minuten in engem face-to-face-Kontakt (d.h. < 1 m), damit eine Übertragung über Tröpfchen zustande kommen kann. Und wenn man darauf achtet, sich mit den Händen nichts ins Gesicht zu fassen, ist auch dieser potentielle Übertragungsweg ausgeräumt.
Das Risiko der Inhalation von potentiell infektiösen in der Luft freischwebenden Partikeln haben wir schon besprochen.

Wie hat man bisher die Übertragung bei solchen Infekten gesehen?

Insbesondere bei Influenza wurde eine Aerosol-Übertragung zwar immer wieder diskutiert und untersucht, aber nicht als relevanter Übertragungsweg bestätigt. Das hatte zur Folge, dass die Infektionsschutzmaßnahmen im Krankenhaus für die Versorgung von Patienten mit Influenza oder Influenzaverdacht auf das Tragen von OP-Masken bei nahem face-to-face-Kontakt (also < 1 m) und auf die Händehygiene beschränkt waren.
Zwar hat der Arbeitsschutz für das Personal im Krankenhaus schon lange gefordert, dass bei nahem Kontakt FFP2-Masken getragen werden (Hintergrund ist, dass der Mensch nicht nur größere Tröpfchen, sondern auch schwebefähige Partikel freisetzt), dies wurde aber eher nicht flächendeckend umgesetzt.

Wie kommt das Krankenhauspersonal mit den FFP2-Masken zurecht?

Das Personal im Krankenhaus ist durch jede Maske belastet, und ganz besonders jetzt durch die FFP2-Masken. Selbst das OP-Personal ist immer wieder froh, die OP-Maske zwischen den OPs absetzen zu können. Außerhalb des OP wurden Masken bisher nur in ausgewählten Situationen (z.B. OP-Maske bei nahem face-to-face-Kontakt bei Patienten mit respiratorischen Symptomen oder FFP2-Maske bei Betreten im Zimmer von Patienten mit offener Tuberkulose der Atemwege) getragen und dann immer nur relativ kurz. Jetzt aber müssen Masken (und seit einigen Monaten sind es fast überall FFP2-Masken) während des gesamten Arbeitstages getragen werden, ganz gleich ob Patientenkontakt besteht oder nicht. Außerdem verlangt der Arbeitsschutz, dass FFP2-Masken nur eine bestimmte Zeit (75 Minuten) getragen werden. Dann muss eine Pause (30 Minuten) eingelegt werden. Das wird jedoch kaum beachtet.

Die Folge ist, dass die Masken außer in den Pausen ständig getragen und sehr häufig angefasst werden. Dabei kann man sich die Hände kontaminieren. Und das nicht nur mit all den Bakterien, die man im Nasen-Rachen-Raum trägt, die auch nicht auf Patienten übertragen werden dürfen, sondern natürlich auch mit den Viren, die vielleicht gerade im Nasen-Rachen-Raum vorhanden sind. Mit den kontaminierten Händen fasst man diverse Gegenstände und Oberflächen an und kontaminiert sie auf diese Weise. Dieselben Gegenstände und Oberflächen werden von Kollegen angefasst, die sich durch diese indirekten Kontakte die Hände kontaminieren können. Vermutlich laufen solche Kontakte ziemlich schnell hintereinander ab, und es ist deshalb wahrscheinlich gar nicht nötig, dass die Viren längere Zeit auf Oberflächen nachweisbar bleiben. So erklären sich vielleicht die überall vorkommenden Ausbrüche beim Personal mit dem neuen Coronavirus. Jedenfalls muss man das alles in Betracht ziehen und darf nicht davon ausgehen, dass ja Masken getragen werden und somit ein Schutz vor Kontakt mit dem Virus gegeben sei.

Warum wird die Belastung des Krankenhauspersonals - aber auch der Bevölkerung - durch die Maskenpflicht nicht wirklich wahrgenommen?

Die Politik hat sich bisher fast ausschließlich auf die Beratung durch Virologen verlassen. Krankenhaushygieniker wurden als Experten nicht gefragt.
Virologen sind Biowissenschaftler, sie arbeiten im Labor, sequenzieren zum Beispiel Viren, aber sie müssen nicht in Übertragungswegen denken.
In der Krankenhaushygiene muss man das immer tun, ganz gleich ob es sich um Bakterien oder Viren dreht, weil man sonst keine adäquaten Schutzmaßnahmen empfehlen kann. Es wurden von der Politik auch keine bevölkerungsbezogen arbeitenden Epidemiologen einbezogen, sondern Mathematiker oder Physiker, die mit Modellierungen den Verlauf der Pandemie darstellen wollen.
Es fehlen viele andere Fachleute und damit die Einbeziehung der praktischen, lebensnahen Aspekte.

Was muss man Ihrer Ansicht nach beachten, um grippale Infekte zu vermeiden?

Ich halte zum einen die Händehygiene für sehr wichtig und, weil man sich die Hände nicht immer rasch waschen kann, zum anderen das Bewusstsein dafür, dass man sich mit den Händen nicht ins Gesicht fasst. Das tut der Mensch aber normalerweise und bemerkt es meist gar nicht. Man kann es aber trainieren.
Konnte man die Hände wieder waschen (oder sich die Hände desinfizieren), kann man sich auch beispielsweise wieder die Augen reiben, aber nur solange man nicht wieder gemeinschaftlich genutzte Oberflächen angefasst hat, weil dann die Hände sofort wieder kontaminiert sein können.
Wegen der Überbetonung der Masken aber gerät die Händehygiene mit allem, was damit zusammenhängt, völlig in den Hintergrund. Auf alle diese Fragen gehe ich übrigens sehr differenziert in meinem Buch über die aktuellen Hygienemaßnahmen der Bundesregierung ein, an dem ich gerade arbeite.

Und noch etwas: Virusmutationen gibt es immer, auch bei der Influenza. Darum gibt es ja jedes Jahr eine neue Impfung gegen die saisonalen Grippeviren. Und dass die Mutationen aus Großbritannien oder Südafrika gefährlicher sind, ist noch gar nicht geklärt. Mit diesen Mutationen aber werden alle aktuellen Einschränkungen begründet: Man könne ja nicht wissen, wie sich die epidemiologische Lage dadurch verändert.

Prof. Dr. med. Ines Kappstein

Medizinstudium in Freiburg,
danach Tätigkeit am Institut für Allgemeine Hygiene und Bakteriologie, Chirurgische Universitätsklinik Freiburg,
Facharztausbildungen für Mikrobiologie, Virologie und Infektionsepidemiologie sowie für Hygiene und Umweltmedizin.
1993 Habilitation im Fach Krankenhaushygiene.
1998-2006 Tätigkeit im Klinikum rechts der Isar der TU München.
2006-2016 Chefärztin der Abteilung Krankenhaushygiene an den Kliniken Südostbayern AG der Landkreise Traunstein und Berchtesgadener Land.
Seit 2017 Betreuung mehrerer Akut-, Fach- und Reha-Kliniken in selbstständiger Tätigkeit.

Korrespondenzadresse: [email protected]


Das Interview wurde Ende Januar 2021 geführt.

(04.02.2021 - Red.)

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