PHEIC "Zika" 01.02.2016
Hinweis:
Analyse "Zika" - Das Zika-Panik-Spiel
Dies ist ein Artikel aus dem Jahr 2016, den Thomas Ly seinerzeit auf seiner privaten Webseite www.TravelMedicus.com publizierte.
Seinerzeit hatte die WHO im Rahmen eines Zika-Ausbruchs in Südamerika am 01. Februar 2016 einen PHEIC ausgerufen.
Gefährliche "Modeviren"
Zur Fußball WM in Brasilien 2014 wurde das Denguevirus in den Medien zur „neuen weltweiten Lebensgefahr“ erkoren, nachfolgend kam die Ebola-„Krise“ und jetzt soll angeblich das Zikavirus die Welt bedrohen…
Dengue
Dengue-Erkrankungen wurden bereits im Jahr 1635 in Französisch Westindien und 1699 in Panama beschrieben. Das Synonym „Knochenbrecher-Fieber“ wurde bei einem Erkrankungsausbruch im Jahr 1780 in Philadelphia/USA von der lokalen Bevölkerung geprägt. Der heutige Name „Dengue“ bedeutet übersetzt aus dem Suaheli „Kidanga pepo“ so viel wie „Plötzlicher Befall durch einen Geist“ und stammt von einem Ausbruch der Infektion auf den großen Antillen aus dem Jahr 1827.
Die erste Isolation von Dengue-Viren erfolgte im Jahr 1943.
Ein so „altes Virus“ wird in unserer modernen Welt doch nun ganz sicher nicht plötzlich die Menschheit dahinraffen.
Filoviren
Ebola- und das Marburg-Virus sind jünger und bilden die biologische Familie der Filoviren. Während das Marburg-Virus erstmals im Jahr 1967 beschrieben wurde (damals infizierten sich 19 Labormitarbeiter in den Städten Marburg, Belgrad und Frankfurt, die Organe von Grünmeerkatzen aus Uganda zur Herstellung von Impfstoffen gegen Poliomyelitis bearbeiteten), wurde das Ebola-Virus erst 10 Jahre später im Jahr 1977 nach einem vorherigen Krankheitsausbruch 1976 nahe des Flusses Legbala (belgisch: l’Ebola) in Zaire (heute DR Kongo) beschrieben. Seither sind diverse Erkrankungsausbrüche primär in Zentralafrika beschrieben.
Weitere zur Familie der Filoviren gehörende Erreger wurden an der Elfenbeinküste, in Uganda, auf den Philippinen und in China nachgewiesen.
Auch das Ebola Virus ist nicht plötzlich gefährlicher geworden. Die Gefahr einer Verbreitung geht vornehmlich von Menschen aus, die das Virus „besuchen“ (auch z.B. Afrika-unerfahrene Reisende und medizinisches Personal auf „Hilfsmission“) und die das Virus akut zu uns „holen“ (z.B. wenn wir selbige Helfer nach einer Infektion bewusst mit dem Flugzeug für eine Behandlung "zuhause" zurückholen).
Bei beiden Erkrankungen, also sowohl bei Dengue, wie auch bei Ebola, haben wir noch keine spezifische medikamentöse Therapie und wer mal „in die Tiefe geht“ wird feststellen, dass unsere medizinischen Fähigkeiten bei den Behandlungen von Virusinfektionen insgesamt sehr beschränkt sind.
Zika-Virus
Nun plötzlich ist das „Zika-Virus“ laut Medien zu einer weltweiten Bedrohung geworden. Aber mal ehrlich - wie wahrscheinlich ist das wirklich bei einem Virus, welches bereits im Jahr 1947 erstmals aus Rhesusaffen im Zika-Forest in Uganda (im Rahmen von Erforschungen des Gelbfiebers) und aus Menschen im Jahr 1952 in Uganda und Tanzania isoliert wurde und für das seit 60 Jahren kein Todesfall berichtet wurde?
Auch beim Zika-Virus haben wir keine spezifische medikamentöse Therapie, sondern machen es ebenso wie bei den zuvor beschriebenen Virusinfektionen Dengue und Ebola, wo wir auch nur die Symptome zu lindern versuchen. Zudem verläuft die Infektion meist asymptomatisch oder als milde und unspezifische Erkrankung.
Das Zika Virus breitet sich seit 2014 tatsächlich rasant über Lateinamerika aus. Laut aktuellen Zahlen sei es in Brasilien zu einer ver-30-fachung von Mikrocephalie bei Neugeborenen gekommen, mit derzeit etwa 3.900 gemeldeten Fällen. Ein zeitlicher Zusammenfall dieser Ereignisse ist jedoch kein Beweis einer Ursache-Wirkung Beziehung und es ist durchaus möglich, dass die statistische Zunahme auf einer erhöhten Diagnose- und Melderate beruht. Hinzu kommt, dass bisher nur bei 6 der Fälle der Nachweis des Zika Virus bei den betroffenen Kindern beschrieben wurde und ein Nachweis des Virus ist kein Beweis als Ursache.
Tatsächlich gibt es bisher auch keinen wissenschaftlichen Beweis eines Zusammenhangs der Infektion von Schwangeren mit dem Zika Virus und einem vermehrten Auftreten von Mikrocephalie bei Neugeborenen.
Trotzdem sieht sich das CDC als Vorsichtsmaßnahme genötigt, eine Reisewarnung für Schwangere in diverse Länder herauszugeben und die WHO überlegt Im Januar 2016 zeitnah einen PHEIC (Public Emergency of International Concern) auszurufen.
Man könnte meinen, aus der letzten großen „Viruspanik“ seien keine Lehren im öffentlichem Umgang mit Infektionserkrankungen gezogen worden – denn der letzte PHEIC wurde von der WHO am 8. August 2014 im Rahmen des Ebola-Ausbruchs in West-Afrika ausgerufen. Dabei kam es in Folge der ausgelösten Panik zu einem weitgehenden Zusammenbruch des öffentlichen Lebens in den betroffenen Gebieten.
Wann ist eine Infektionskrankheit überhaupt „gefährlich“? Dazu hier ein kurzer Vergleich:
- Malaria – jährlich infizieren sich weltweit etwa 214 Mio. Menschen und es kommt dabei zu 400.000 bis 600.000 assoziierten Todesfällen.
- Grippe/Influenza – jährlich infizieren sich weltweit 5-10% der Erwachsenen und 20-30% der Kinder und es kommt dabei jährlich zu bis zu 500.000 assoziierten Todesfällen.
Jetzt bleibt die Frage an Sie:
Wie groß ist Ihre Angst vor eine „Grippe“, was unternehmen Sie bei Reisen in Malariaregionen zum Schutz vor einer Ansteckung und welche Angst suggerieren die Medien Ihnen gegenwärtig bezogen auf das Zika-Virus?
Für die meisten von uns Mitteleuropäern sind alleine Namen wie z.B. „Zika“, „Dengue“ oder auch „Ebola“ mit dem Nimbus des unheimlichen und gefährlichen verbunden – denn so bringen uns die Massenmedien solch „exotische“ Viruserkrankungen gerne nah. Aber auch namhafte medizinische Fachveröffentlichungen schiessen in Ihren Darstellungen oft weit über das real Belegbare hinaus.
Betrachtet man die „Zika Situation“ mit den nüchternen Augen eines Infektologen, so hat sich seit den ersten Veröffentlichungen in den 1950er Jahren kaum etwas substantiell Neues ergeben.
Dies ist auch wenig verwunderlich, denn die Infektion verläuft in etwa 80% der Fälle völlig ohne Symptome. Erkrankt man in Folge der Infektion, so sind die Symptome zumeist unspezifisch (z.B. mildes Fieber, Kopfschmerz, Muskelschmerz, Konjunktivitis, Ausschlag). In seltenen Fällen kommt es zu verschiedensten Komplikationen wie z.B. Encephalopathie, Immunthrombozytopenie, Leukopenie oder Prostatitis (eine Prostatitis löst übrigens bei betroffenen Männern oft unmittelbar eine relative Panik aus – Symptome dabei sind u.a. anfänglich schmerzlos auftretende „schwarze Flecken im Sperma“).
Die Übertragung des Virus erfolgt vornehmlich durch einen Mückenstich (primär durch Aedes aegypti oder Aedes albopictus), ist aber auch durch Blutkontakt, Sexualkontakt, oder kongenital (von der Mutter auf den Fetus) möglich.
Epidemiologie
Ein Vorkommen von Zika Infektionen wurde zunächst nur sporadisch in Afrika und im Verlauf in Südost-Asien beschrieben. Im Jahr 2007 kam es auf der mikronesischen Insel Yap zu einem ersten beschriebenen Ausbruch. Im Jahr 2013 wurde eine Ausbreitung über Pazifik-Inseln wie Französisch-Polynesien, Neukaledonien, Osterinseln, Cook-Inseln, Vanuatu und die Solomon Islands berichtet.
Hierbei wurde auch eine mögliche Assoziation zum post-infektiösen Auftreten eines Guillain Barré Syndroms (einer aufsteigenden Lähmungserkrankung) beim Menschen beschrieben.
Eine Neurotropie (also die Neigung Nervengewebe zu befallen) des Zika Virus wurde jedoch grundsätzlich bereits im Jahr 1952 beschrieben, so dass ein Vorkommen neurologischer Komplikationen keine neue und / oder überraschende Erkenntnis war oder ist.
Vermutlich im Jahr 2014 wurde das Virus in Lateinamerika eingeschleppt und im Jahr 2015 wurde – vornehmlich in Brasilien – ein grosser Ausbruch mit rascher Ausbreitung über Lateinamerika berichtet.
Laut Zahlen aus Brasilien sei es in diesem Zeitraum auch zu einer Ver-30-fachung von Mikrocephalie bei Neugeborenen gekommen. Ein zeitlicher Zusammenfall dieser Ereignisse ist jedoch kein Beweis einer Ursache-Wirkung Beziehung – und es ist durchaus möglich, dass die statistische Zunahme auf einer erhöhten Diagnose- und Melderate beruhen könnte. Tatsächlich gibt es bisher keinen definitiven wissenschaftlichen Beweis eines Zusammenhangs der Infektion von Schwangeren mit dem Zika Virus und einem in der Folge vermehrten Auftreten von Mikrocephalie bei Neugeborenen.
Das ECLAMC (Latin American Colaborative Study of Congenital Malformations) publizierte 2015 in einer Studie zum "Zika-Ausbruch und dem erhöhten Aufkommen von Microcephalie in Brasilien" zudem u.a. folgende Aussagen:
- This ECLAMC estimated rate in Brazil (1.98/10,000) may be an underestimation for the Northeastern region where the prevalence of microcephaly was always higher than that of hospitals in the rest of Brazil.
- This estimated ECLAMC congenital microcephaly rate does not differ significantly from that observed by EUROCAT in Europe as 2.85 (2.69 - 3.02).
- This high rate resulting from exposure during any trimester of pregnancy has never been verified as due to any chemical, physical, or biological agent, which makes this correlation highly unlikely. The observed excessive number of cases is probably due to active search and over-diagnosis.
- The current data, affected by the change of criterion determining the measurement of head circumference to suspect microcephaly do not allow to assess whether: 1. a real increase in microcephaly prevalence at birth occurred in Northeastern Brazil. 2. what was the magnitude of this increase. 3. was this increase due to exposure to the ZIKV or increased exposure to one or more environmental causes of microcephaly (STORCH, alcohol, prematurity, diabetes, etc.).
Am 1. Februar 2016 rief die WHO Vorsitzende Dr. Chan einen PHEIC (Public Health Emergency of International Concern) aus, im Zusammenhang mit einer möglichen Assoziation von Infektionen mit dem Zika Virus bei Schwangeren und Mikrocephalie bei deren Neugeborenen (wie vornehmlich aus Brasilien berichtet wurde).
In Folge dieses Beschlusses kam es zu einer nochmals intensivierten Berichterstattung in den Massenmedien und medizinischen Fachpublikationen, die auch in nicht-Endemiegebieten mitunter panische Ausmaße annahm.
Haben sich die zuvor veröffentlichten Angaben und Annahmen bestätigt, welche die Begründung zum Ausrufen des PHEIC waren?
Am 1. März 2016 veröffentlichte das brasilianische Gesundheitsministerium Zahlen, deren genauere Betrachtung sich sicher lohnt (Selbstverständlich ist kritisch zu berücksichtigen, dass die Daten bisher nicht vollständig vorliegen):
- Im Zeitraum vom 22. Oktober 2015 – 27. Februar 2016 wurden in Brasilien landesweit insgesamt 5.909 Verdachtsfälle von vermuteter Mikrocephalie gemeldet.
- In davon 641 Fällen wurden bisher tatsächlich Hinweise auf eine Mikrocephalie oder auf „andere neurologische Schäden in Folge einer möglichen kongenitalen Infektion“ (also eine Infektion des ungeborenen Lebens im Mutterleib) gefunden. Um was für Infektionen es sich dabei handelte, konnte in den meisten Fällen bisher nicht ermittelt oder nachgewiesen werden. Es kann sich hierbei also um „irgendeinen Erreger“ gehandelt haben, also nicht spezifisch oder einzig um das Zika Virus.
- In 1.046 Verdachtsfällen wurden keine entsprechenden Hinweise gefunden, für 4.222 Fälle liegen bisher noch keine abschließenden Daten vor.
- Bei den bestätigten Fällen von Mikrocephalie wurde in 82 Fällen das Zika Virus im Labor (durch Serologie oder PCR) nachgewiesen. Dies ist im Umkehrschluss jedoch kein sicherer Beweis für das Zika Virus als Ursache für die aufgetretene Mikrocephalie.
- Insgesamt 139 assoziierte Todesfälle standen im Zusammenhang mit Mikrocephalie oder „Veränderungen des zentralen Nervensystems nach der Geburt oder während der Schwangerschaft“. Davon wurde in bisher 31 Fällen eine Mikrocephalie bestätigt, 96 werden weiterhin untersucht und in 12 Fällen erfolgte keine Bestätigung.
- Zu bedenken ist, das in Brasilien auch eine Definition von Mikrocephalie verwendet wurde (Kopfumfang <33cm), welche sich von der international üblichen Definition unterscheiden mag.
Von den 5.909 Verdachtsfällen verbleiben demnach in bisher 641 Fällen Hinweise auf eine Mikrocephalie oder andere neurologische Schäden in Folge einer Infektion durch irgendeinen Erreger während der Schwangerschaft.
Lediglich in 82 Fällen von aufgetretener Mikrocephalie konnte eine zuvor von der Schwangeren durchgemachte Zika Virusinfektion nachwiesen werden – ohne dass dies einen kausalen Zusammenhang belegt.
Nach den vorliegenden (unvollständigen) Daten gab es also in etwa 98.6% der Verdachtsfälle bis dahin keinen konkreten Hinweis einer tatsächlichen Mikrocephalie bei gleichzeitig bestätigter Infektion mit dem Zika Virus.
Bei den verbleibenden etwa 1,4% lag kein definitiver Ausschluss anderer Ursachen vor (dies ist nachträglich auch nicht mit endgültiger Sicherheit möglich). Hierzu gehören sowohl Infektionen während der Schwangerschaft durch andere Erreger (z.B. Röteln oder Cytomegalie), sowie auch u.a. Alkoholkonsum, Strahlenbelastung, Giftkontakt, genetische Disposition, verschiedene „Syndromerkrankungen“ und diverse andere mögliche Auslöser.
Update April 2016
Ein Artikel im NEJM vom 16. April 2016 versucht die aktuelle Evidenz für eine Kausalität von Zika-Infektionen während der Schwangerschaft und Geburtsdefekten, anhand der Anwendung von Shephard’s Teratogenitäts-Kriterien, näher zu beleuchten.
Update Februar 2017
Am Mittwoch, dem 01. Februar 2017 gab die WHO bekannt, dass die Infektionszahlen mit Zika in Lateinamerika und Brasilien zurückgegangen sind.
Der für Zika bei der WHO zuständige Ian Clarke sagte: "The prevalence of Zika is dropping in the Americas."
Und er sagte weiter, dass es nicht klar sei, warum die Infektionszahlen sinken würden.
Ich hätte da so eine Theorie...
Hinweis: Dies ist ein Artikel aus dem Jahr 2016 (mit Updates in 2017), den Thomas Ly auf der Webseite www.TravelMedicus.com publizierte.
07.06.2022 - tho